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Freie Fahrt für Enuu in der Stadt Biel

3.10.18
Author: Interview von Leila Chaabane, SIP BB, mit Luca Placi, Co-Gründer von Enuu

Es ist kein Velo, denn es hat vier Räder, ein Dach, Scheibenwischer, Blinker und Platz für die Einkaufstasche. Es ist aber auch kein Auto, denn es darf auf dem Radweg fahren und man braucht keinen Führerausweis. Das Leichtelektrofahrzeug, kurz LEV (Light Electric Vehicle) genannt, des Startup-Unternehmens «Enuu» hat die Testphase an der ETH Lausanne (EPFL) bestanden und erobert ab Mitte September die Strassen von Biel.


Mit welchem Fahrzeug bist du heute zur Arbeit gekommen?
Fragst du, weil ein Enuu-Fahrzeug vor dem FABLAB von Switzerland Innovation Park Biel/Bienne (SIP BB) steht?

Genau.
Ich bin mit dem Bus gekommen. Das Fahrzeug vor dem FABLAB benutzen wir für Demos und Testfahrten. Alle anderen Fahrzeuge sind jetzt in der Werkstatt, damit die letzten Vorbereitungen für den grossen Launch in Biel gemacht werden können. 

Das heisst, bald gilt es ernst für euch?
So ist es. Circa Mitte September 2018 werden wir mit 13 Fahrzeugen in Biel starten. Wir haben im Vorfeld mit mehr als 350 Benutzern auf dem Campus der EPFL getestet und konnten viele Feedbacks einholen. Jetzt sind wir in der Lage, einen Service anzubieten, der mit grosser Gewissheit hält, was er verspricht. Natürlich müssen wir für allfällige Änderungen flexibel und offen bleiben.

Ihr habt euch im FABLAB von SIP BB eingemietet. Wie seid ihr auf das FABLAB gekommen?
Für ein Startup ist es schwierig, die ersten Büroräumlichkeiten zu finden. Alles ist noch ungewiss – besonders die Frage, wie lange die Finanzen reichen – und hohe Mietkosten oder langjährige Verträge schrecken ab. Den SIP BB kennen wir schon lange, und er hat ja auch einen hohen Bekanntheitsgrad in Biel. Im Coworking-Space vom FABLAB haben wir nicht nur einen kostengünstigen, flexiblen Arbeitsplatz gefunden, sondern können von der Community, dem Team und dem Inventar vom FABLAB profitieren.

Braucht ihr die Maschinen (3D-Drucker, Laser Cutter usw.) vom FABLAB?
Wir benutzen vor allem diverses Werkzeug aus dem FABLAB. Aber es ist durchaus möglich, dass wir in Zukunft auch die Maschinen benutzen werden. 

Was heisst eigentlich Enuu?
Das «E» steht für «efficiency». «Nuu» steht für «New». Enuu heisst also «neue Effizienz». Der neue Weg, sich effizienter und ökologischer fortzubewegen. 

Und wie wird es korrekt ausgesprochen?
(Lacht) Da sind wir sehr flexibel, und jeder darf es aussprechen, wie es für sie/ihn am besten stimmt. Bei „Uber“ sagen ja auch viele „Über“ und trotzdem wissen alle, von wem die Rede ist. 

Kannst du in wenigen Sätzen erklären, wie Enuu funktioniert?
Klar. Du musst die App «Enuu» herunterladen. Dort siehst du deinen aktuellen Standort und die Zone, in welcher du fahren darfst – die Zone wurde übrigens mit der Stadt vereinbart. Ein Pin auf der Karte zeigt dir, wo das nächste Fahrzeug steht. Klickst du drauf, hast du 15 Minuten Zeit zum Fahrzeug zu gehen und es via App zu öffnen. Nun gehört das Fahrzeug für 10 Minuten dir und du kannst dich frei in der vorgegebenen Zone bewegen. Parkieren darfst du auf Fahrrad- und Mofaparkplätzen. Mit einem letzten Klick in der App beendest du die Fahrt.

Was, wenn ich nach 10 Minuten noch nicht an meinem gewünschten Zielort angekommen bin?
Dann startet automatisch ein neues Angebot/eine neue Fahrt. Im Gegensatz zu den ersten drei kostenlosen Fahrten pro Tag, verrechnen wir dafür einen bescheidenen Betrag von CHF 2.- für weitere 10 Minuten.  

Und wenn der Tank – Entschuldigung – die Batterie auf meiner Fahrt leer ist?
Das wird garantiert nicht passieren. Mit unserem Fleet Management System sehen wir die Batterieladung in jedem Fahrzeug. Beträgt sie unter 40%, wird sie von uns durch eine vollgeladene Batterie ausgetauscht. 

Ihr bietet drei kostenlose Fahrten pro Tag und für weitere Fahrten verlangt ihr CHF 2.-. Wie finanziert sich Enuu?
Unser Ziel ist, dass wir Enuu über die App und Werbeflächen auf den Fahrzeugen finanzieren können. Für die Benutzer sollen die Kosten so gering wie möglich sein.

Du und Yoann Loetscher seid die Gründer von Enuu. Wie ist eure Arbeitsaufteilung?
Yoann und ich arbeiten nicht mehr alleine. Unser Team ist bereits auf sieben Personen gewachsen. Zwar arbeiten nur zwei 100%, aber wenn Not am Mann ist, sind alle da – egal ob zu 100% oder noch mehr. Wir führen eine sehr flache Struktur. Jeder von uns übernimmt die Aufgabe eines Projektmanagers und hat somit grosses Mitspracherecht aber auch eine grosse Verantwortung zu tragen. Als Führungspersonen sind Yoann und ich vor allem für den organisatorischen und strategischen Bereich zuständig.

Wo steht ihr aktuell mit eurem Unternehmen?
Wir sind mitten in der Planung für 2019, um unsere Fahrzeuge in weiteren Grossstädten der Schweiz zu platzieren.  Zudem soll noch eine Stadt in Europa dazukommen. Da stehen wir bereits mit einigen Städten in Kontakt.

Was muss für euch erreicht werden, damit ihr sagen könnt: „jetzt haben wir es geschafft“?
Ein Unternehmer sollte im Prinzip nie sagen „jetzt haben wir es geschafft“. Es gibt immer etwas zu tun und zu verbessern. Natürlich freuen wir uns wahnsinnig, wenn wir unsere Fahrzeuge in der Stadt herumfahren sehen.

Gab/gibt es viele Hürden zu überwinden?
Die berühmte Achterbahn der Gefühle hat auch uns auf viele Fahrten mitgenommen. Oft durften wir viele kleine Erfolge geniessen, dann rauschten auch schon wieder neue Herausforderungen auf uns zu.  Aber die vielen kleinen Erfolge und die gesammelten Erfahrungen haben uns geholfen, eine gewisse Ruhe und Gelassenheit zu bewahren. Wir sind jetzt zuversichtlich und wissen, dass wir es schaffen können.

Klassische Bewerbungsfrage: Wo steht Enuu in 10 Jahren?
Ich hoffe doch in jeder grossen Stadt dieser Welt. Dazu alle Fahrzeuge mit cooler Werbung bedruckt und als Plus fahren sie autonom.

Seid ihr da schon am tüfteln?
Ja, im September starten wir zwei Projekte bezüglich autonomer Fahrzeuge an der EPFL. 

Und wo siehst du dich in 10 Jahren? 
Bestimmt nicht in einem Chefsessel als grosser CEO. Ich bin eher der Gründer-Typ. Gesellschaftliche Themen und der Mensch als Individuum stehen für mich stark im Mittelpunkt, deshalb würde ich auch gerne eine eigene Stiftung gründen.