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«digitale Transformation ist für Versicherungen der absolute Megatrend»

17.8.16
Angel Serna

Interview mit Dr. Angel Serna, Leiter Government and Industry Affairs für die Schweiz bei der Zurich Insurance Group und Vertreter des Unternehmens im Wirtschaftsbeirat der Stiftung Switzerland Innovation

Was bedeutet für Sie und Ihr Unternehmen Innovation?
Innovation ist der eigentliche Wachstumsmotor einer Volkswirtschaft, insbesondere für ein Land, dessen Wohlstand sich nicht auf Bodenschätzen begründet. Innovation bedeutet einerseits Entwicklung neuer Produkte zur besseren Befriedigung der Bedürfnisse der Kunden. Andererseits führt Innovation zu optimierten und kostensparenden Prozessen, die sich für ein Unternehmen in tieferen Preisen oder höheren Margen niederschlagen. 
Zurich ist eine weltweit tätige Versicherung mit Kunden in mehr als 170 Ländern, darunter sowohl kleinere und mittelgrosse Betriebe als auch internationale Konzerne. Innovation bedeutet für uns somit auch, dass wir zusammen mit unseren Kunden Lösungen entwickeln, damit sie sich besser vor Gefahren schützen oder neue Risiken erkennen und verstehen können. Die bald 150-jährige Firmengeschichte der Zurich bestätigt, dass Innovation dann zustande kommt, wenn der Wissensaustausch und der Wettbewerb der Ideen begünstigt wird. Die räumliche Nähe zusammen mit einer grundsätzlichen Offenheit gegenüber Fortschritt sowie die Sicherung eines allgemein hohen Bildungsniveaus in der Bevölkerung sind Grundvoraussetzungen für eine innovative Volkswirtschaft. Darum braucht es innovative Ballungszentren in der Schweiz – oder eben: Switzerland Innovation.

Was unternimmt Ihr Unternehmen im Bereich Forschung & Entwicklung?
Die digitale Transformation ist auch für die Versicherungswirtschaft der absolute Megatrend. Während andere Branchen bereits vor Jahren dadurch grundlegend veränderten wurden, befindet sich die Assekuranz am Anfang. Bezüglich Forschung und Entwicklung engagieren wir uns zum Beispiel stark mit dem Potenzial – aber auch mit den Gefahren – rund um den Themenkomplex Big Data. Analyse und Interpretation einer noch nie dagewesenen Datenmenge tangiert ganz konkret das Geschäftsmodell einer Versicherung, zum Beispiel bezüglich der zugrundeliegenden Wahrscheinlichkeit von Ereignissen oder der fortschreitenden Automatisierung in den Bereichen Schadensregulierung oder Missbrauchsermittlung.
Oder nehmen Sie die Mobilität: In mehreren europäischen Städten unterstützen wir Tests mit selbstfahrenden Bussen. Die Entwicklung und Umsetzung eines automatisierten öffentlichen Verkehrssystems bietet neue Chancen und birgt neue Risiken. Deshalb ist Zurich bei der Forschung über die Mobilität der Zukunft an vorderster Front dabei.
Nicht zuletzt engagiert sich Zurich als Partnerin diverser akademischer Institutionen in der Schweiz, in den USA oder in China. Dieser Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen Wirtschaft und Wissenschaft ist nicht nur für unsere eigene Forschung und Entwicklung zentral, sondern begünstigt ein Klima, in dem Innovation stattfindet.

Ihr Unternehmen gehört zu den Erstgönnern der Stiftung Switzerland Innovation. Was hat Sie dazu bewogen, sich bei diesem Projekt von Anfang an zu engagieren? Und was erwarten Sie von diesem Engagement?
Für Zurich gehört es zum Selbstverständnis unserer „Corporate Citizenship“, dass wir zur Stärkung grundlegender gesellschaftlicher Erfolgsfaktoren beitragen wollen – sowohl hier in unserem Heimmarkt Schweiz als auch anderswo. Gerade Bestrebungen, die zur Schaffung förderlicher Rahmenbedingungen für eine innovative Wirtschaft beitragen, unterstützen wir handfest und nachhaltig. Switzerland Innovation nutzt für uns zudem Synergien aus bereits bestehenden Engagements im Rahmen akademischer Partnerschaften und Standortförderungsinitiativen.
Selbstverständlich sind Unternehmen, die im Rahmen von Switzerland Innovation gegründet oder angesiedelt werden, auch unsere potenziellen Kunden. Zurich versteht die Bedürfnisse von international vernetzten Start-ups und Spin-offs und steht ihnen in dieser entscheidenden Phase – und darüber hinaus – zur Seite. 
Nicht zuletzt trägt Switzerland Innovation dazu bei, die hierzulande naturgemäss besonders knappe Ressource „erschlossene Standortflächen“ verfügbar zu machen. Dabei ist es besonders erfreulich, dass in erster Linie Standortflächen verfügbar gemacht werden, die bisher als staatlicher oder parastaatlicher Bodenbesitz dem marktwirtschaftlichen Steuerungsmechanismus weitgehend entzogen gewesen waren.

Die Schweiz belegt seit Jahren konstant einen Spitzenplatz in den Ranglisten der innovativsten Länder. Was macht die Schweiz besser als andere Länder?
Die Stärke der Schweiz beruht zweifellos auf einer vergleichsweise konsequenten Offenheit im Austausch aller Art, d.h. der weitgehend freie und nicht zentral gesteuerte Austausch von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Know-how hat in der Schweiz Tradition. Das spiegelt sich auch im Offenheitsgrad der Schweizer Volkswirtschaft sowie im vergleichsweise hohen Anteil an zugezogener Bevölkerung.
Ausserdem wird einer soliden und fundierten Ausbildung ein hoher Stellenwert beigemessen, was durch eine vielgliedrige und sehr dezentrale Struktur der Bildungsinstitutionen einschliesslich der mitteleuropäischen Besonderheit der dualen Berufsbildung untermauert wird. Die erfolgreiche Pflege eines allgemein hohen Bildungsstandes in der Bevölkerung und das Vorhandensein einer Bildungsstruktur, die aufgrund ihres dezentralen Charakters sehr rasch und flexibel auf Änderungen der Bedürfnisse reagiert, gehört zweifellos zu den Aspekten, welche die Schweiz besser regelt als andere Länder.

Was braucht es Ihrer Ansicht nach, damit Unternehmen in Zukunft sich vermehrt für die Schweiz als Standort für ihre F&E-Aktivitäten entscheiden?
Es braucht sicherlich keinen Aktivismus, denn es sind nicht kurzfristige und auf Blickfang ausgerichtete Massnahmen, die bei Standortentscheiden den Ausschlag geben. Kontinuität, Beharrlichkeit und allen voran Glaubwürdigkeit sind wie bei so vielen Dingen entscheidende Ingredienzen für nachhaltigen Erfolg. Ankündigungen und Versprechungen zu den Rahmenbedingungen müssen über die Zeit auch tatsächlich eingehalten werden. In diesem Sinne muss täglich von Neuem an der Erhaltung und Entwicklungen der Voraussetzungen gearbeitet werden, die es Unternehmen und Pionieren ermöglichen, Innovationen in der Schweiz zu tätigen. Neben den bereits ausgeführten F&E spezifischen Rahmenbedingungen ist es zentral, auch den klassischen Standortfaktoren Sorge zu tragen: Vernünftige steuerliche Rahmenbedingungen, einen zuverlässigen und von Stabilität geprägten Rechtsrahmen, eine dezentrale und von Wettbewerb geleitete Wirtschaftsordnung, einen liberalen Arbeitsmarkt sowie funktionierende politische Institutionen.